Nur keine Panik
Kopfkino – immer wieder spannend welche Filme dort laufen. Dem allgemeinen Kinodonnerstag zum Trotz ohne festen Start, gerne spontan und ohne Drehbuch. Indem es der Phantasie alle Tore öffnet, entwickelt sich die Dramaturgie von selbst; sodass aus jeder Mücke ein Elefant erwachsen oder aus einem profanen Reihenhaus ein (Luft-) Schloss werden kann. Horrorfilm, Thriller oder Happy End? Über das Ende bestimmt man am Schluss allein.
Mein Kinotag für diese Woche war gestern. Dienstag morgen, 08.14 Uhr – kalt, grau und dunkel. Alles eher mäßig motivierende Startbedingungen für einen geschäftlichen Tagestrip mit der Bahn. Ich gebe zu, dass Bahnfahren als solches schon seit frühester Jugend nicht zu meinen Favoriten zählt und sich gerade in meiner Beziehung zur Bahn das Wort von der selbsterfüllenden Prophezeiung nur allzu oft als wahr erwiesen hat. So auch gestern. Mit einem zeitlichen Puffer geplant wie auch gestartet, löste sich dieser schon an der ersten Umsteigestation am Hauptbahnhof nahezu im Nichts auf. Mehr als 21 Minuten Verzögerung bereits am Einsatzbahnhof, das passte genau zu meinen negativen Erwartungen, aber auf keinen Fall zu meinem Anschlusszug in Frankfurt. „Das wird wohl nichts mit dem problemlosen Weiterkommen; war ja klar. Warum auch einfach, wenn es kompliziert geht?!“, schoss es mir durch den Kopf und meine Stimmung drohte sich zu verselbständigen.
Die Kälte, die während des Wartens – Bahnhöfe sind gegenüber Flughäfen eine verdammt offene Veranstaltung – langsam von unten immer weiter hochkroch, entspannte die Situation ebenso wenig, wie die Lautsprecherdurchsage, dass eine weitere Verzögerung durchaus möglich sei. Na, toll. Zwei Beine als Eisklötze und ein Zug der mehr Wunsch als Wirklichkeit war. Wenn der Tag so begann, wie sollte dann der Rest dieses Tages erst werden?
Als der Zug in den Bahnhof endlich eingelaufen war, beeilte ich mich zu meinem Sitzplatz zu kommen, mich einzurichten und dem Schicksal auszuliefern. Alternativverbindungen suchen, Termine verschieben und mich ärgern, das waren die einzigen Möglichkeiten, die ich hatte – so schien es mir noch auf dem Bahnsteig. Im Waggon, in der Wärme und mit einem Moment des Innehaltens allerdings gab es noch eine andere Option: Einfach die Ruhe bewahren und erstmal abwarten, wie sich die Dinge entwickeln.
So war die Schaffnerin, die das Ticket entwertete, überaus freundlich und schaffte es dem Ganzen sogar eine humorvolle Note zu verleihen. Sie stellte darüber hinaus glaubhaft in Aussicht, dass ein Teil des bisherigen Zeitverlustes durchaus einzuholen sei und avisierte, dass die nachfolgenden Züge von ihr über die tatsächliche Verzögerung rechtzeitig informiert würden. Ein Hoffnungsschimmer am Horizont schien auf. Was sollte realistisch betrachtet auch passieren? Maximal käme ich später, aber wahrscheinlich immer noch rechtzeitig und der Rest, das wäre doch gelacht, wenn der sich nicht hinschaukeln ließe. Aufregen hatte jedenfalls keinen Sinn. Interessanterweise kam es dann genau so. Der Zug holte die verlorene Zeit bis auf 6 Minuten auf, der nachfolgende Zug stand noch genau die Zeit im Bahnhof, die zum Umsteigen notwendig war und am Zielort hatte ich sogar noch genug Spielraum für einen ausgiebigen Kaffee zum gedanklichen Ankommen.
Alle Eventualitäten durchspielen, sämtliche Alternativen prüfen und sich Gedanken machen, selbstverständlich kann man das tun. Aber nicht selten ist es angemessener, erstmal abzuwarten und zu vertrauen. Auf sich, auf andere und darauf, dass es klappt. Das schont nicht nur die Nerven und spart Energie, sondern sorgt am Ende oft auch für ein Happy End.